Mit dem Individualbeschwerdeverfahren (engl.: Individual Complaint Mechanism) ist es möglich, sich gegen Verletzungen der Frauenrechtskonvention zu wehren.
Die Vereinten Nationen haben die Individualbeschwerde als Kontrollverfahren zum Schutz der Menschenrechte eingeführt. Folgende Übereinkommen enthalten optionalen Beschwerdeverfahren, wodurch eine Einzelperson bezogen auf das jeweilige Übereinkommen sich beschweren und darlegen kann, dass ihre Rechte gemäß dem Vertrag verletzt wurden:
- CERD, Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
- CCPR, Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
- CESCR, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
- CEDAW, Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
- CAT, Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
- CRC, Übereinkommen über die Rechte des Kindes
- CMW, Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen
- CRPD, Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
- CED, Konferenz über Umwelt und Entwicklung
Die Beschwerde-Verfahren bei CESCR, CRC und CMW sind noch nicht in Kraft.
Das Beschwerdeverfahren zur Frauenrechtskonvention ist im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen in den Artikeln 2 bis 7 geregelt:
Nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Personengruppen steht nach Artikel 2 des Fakultativprotokolls das Recht einer Beschwerde (sog. „Mitteilung„) zu. Diese Mitteilung kann eingereicht werden mit der Behauptung, Opfer einer Verletzung eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts durch den Vertragsstaat zu sein. Voraussetzung ist also, dass die Person oder Gruppe der Hoheitsgewalt des betreffenden Vertragsstaates untersteht. Wenn die Mitteilung im Namen einer Person oder Gruppe eingereicht werden soll, kann das nur mit Zustimmung der betreffenden Person geschehen, oder der Verfasser bringt eine Rechtfertigung vor, weshalb er ohne diese Zustimmung im Namen des Betreffenden handelt.
Nach Artikel 3 des Fakultativprotokolls darf die Beschwerde nicht anonym sein und muss schriftlich erfolgen. Außerdem muss sie einen Staat betreffen, der sowohl Vertragsstaat des Übereinkommens als auch des Fakultativprotokolls ist. Es reicht also nicht aus, die Frauenrechtskonvention ratifiziert zu haben, das Fakultativprotokoll ist genauso wichtig, das erst hier die Individualbeschwerde möglich gemacht worden ist. Folglich ergibt sich daraus, dass einem Staat, der sich rühmt, die Frauenkonvention unterschrieben zu haben, keine Konsequenzen bei Verletzung der Frauenkonvention befürchten muss, solange dieser Staat das Fakultativprotokoll zur Frauenkonvention nicht ebenfalls ratifiziert hat.
Zulässig ist eine Mitteilung nur, nachdem alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft worden sind (Artikel 4 Fakultativprotokoll). In Abs. 2 des Artikels 4 ist geregelt, dass eine Mitteilung dann unzulässig ist, wenn dieselbe Sache bereits vom selben Ausschuss untersucht oder in einem anderen internationalen Untersuchungsverfahren zur Prüfung vorliegt oder vorgelegen hat. Weiterhin darf die Mitteilung nicht unvereinbar mit den Bestimmungen des Übereinkommens sein oder sich auf Tatsachen beziehen, die sich vor dem Inkrafttreten des Protokolls für den betreffenden Vertragsstaat ereignet haben.
Aufgrund einer Individualbeschwerde kann ein Vertragsstaat nach Artikel 5 des Fakultativprotokolls noch bevor eine Entscheidung in der Sache selbst getroffen worden ist, aufgefordert werden, vorläufige Maßnahmen zu treffen, um einen möglichen, nicht wieder gutzumachenden Schaden für das Opfer der behaupteten Verletzung abzuwenden.
In Artikel 6 des Protokolls wird geregelt, dass der von einer Beschwerde betroffene Vertragsstaat Kenntnis von dieser erhält und innerhalb eines halben Jahres schriftliche Erklärungen zur Sache abgibt – auch über gegebenenfalls getroffene Abhilfemaßnahmen.
Über eine Beschwerde wird in einer Ausschusssitzung beraten, die nach Artikel 7 des Fakultativprotokolls nicht öffentlich ist. Den betroffenen Parteien wird nach der Prüfung die Auffassung und die Empfehlungen des Ausschusses mitgeteilt. Diese haben dann 6 Monate Zeit, eine schriftliche Antwort zu verfassen, die auf die Empfehlungen des Ausschusses eingeht und über entsprechend getrofffene Maßnahmen Auskunft gibt. So können auch noch weitere Informationen vom Vertragsstaat angefordert werden, z.B. im Rahmen der Berichte des Vertragsstaates nach Artikel 18 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.
Die bisher einzige Entscheidung über eine Deutschland betreffende Individualbeschwerde ist vom 14. Juli 2004 – B.-J. gegen Deutschland (1/2003):
Der Beschwerdeführer der Mitteilung vom 20. August 2002, mit ergänzenden Informationen vom 10. April 2003, ist Frau B.-J, eine 57 jährige deutsche Staatsangehörige aus Nörten-Hardenberg. Sie behauptet, Opfer einer Verletzung aus den Artikeln 1, 2 (af), 3, 5 (a und b), 15 (2) und 16 (1.c, d, g und h) CEDAW zu sein.
Die Individualbeschwerde ist als unzulässig beurteilt worden:
Der Ausschuss beschließt …dass die Mitteilung nach Artikel 4 Abs.1 (des Fakultativprotokolls) unzulässig ist, da es die Verfasserin versäumt hat, die innerstaatlichen Rechtsmittel auszuschöpfen, und nach Artikel 4 Abs.2 e (des Fakultativprotokolls) ist die Mitteilung unzulässig, weil der streitige Sachverhalt sich nämlich vor dem Inkrafttreten des Fakultativprotokolls für den Vertragsstaat (Deutschland) ereignet hat und nicht nach diesem Zeitpunkt weiterbesteht.